Sehr geehrter Herr Meyer,
Der Autoverkehr ist in Haßloch für zahlreiche Probleme verantwortlich, die allesamt durch ein Car-Sharing-Angebot positiv beeinflusst werden könnten.
Verkehrssicherheit
In letzter Zeit haben sich zahlreiche Unfälle mit Kindern und Fahrradfahrer*innen in Haßloch ereignet, wie man der Rheinpfalz entnehmen konnte. Während das Autofahren seit Jahrzehnten immer sicherer wird, gehen die Unfallzahlen, insbesondere bei Radfahrer*innen aber auch bei Fußgänger*innen, von Jahr zu Jahr nach oben. Innerorts sind seit 2010 die Unfallzahlen mit Fahrradfahrer*innen um fast 30 % angestiegen, die Zahl der getöteten Radfahrer um knapp 20 %*1. Hauptverantwortlich ist der zunehmende PKW-Verkehr innerorts bei gleichzeitig geringerem Radverkehr. Die vorhandenen Flächen werden von Autos dominiert. So müssen Radfahrer*innen und Kinder sich die Flächen mit immer größeren und schwereren PKWs teilen, bei denen die wenigsten die vorgeschriebene Geschwindigkeitsbegrenzungen einhalten*2 Durchschnittlich 87% der öffentlichen Flächen werden für den PKW-Verkehr genutzt. Eine Auswertung zeigte, dass in einer 30-km/h-Zone in Haßloch durchschnittlich fast 50 km/h gefahren wurde und viele Fahrzeuge noch erheblich schneller unterwegs waren. Der Zusammenhang mit der Verkehrssicherheit ist frappierend. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Erwachsener beim Erfassen von einem PKW getötet wird beträgt bei 30 km/h ca. 20 % und bei 50 km/h über 80%.
Werden die Einwohner*innen mittels eines Carsharing-Angebots in die Lage versetzt, ihren Privat-PKW abzuschaffen, legen sie erheblich weniger Kilometer, insbesondere innerorts, mit dem KFZ zurück und erhöhen damit die allgemeine Verkehrssicherheit.
CO2–Emissionen
Die Kosten, die der Allgemeinheit durch die Emission einer Tonne CO2 entstehen, betragen laut Berechnungen des BMU aktuell 695 €. Diese Kosten trägt zum allergrößten Teil die aktuell junge Generation, auch daran ersichtlich, dass bei der von der Bundesregierung präferierten Betrachtung die Wohlfahrt der heutigen Generation massiv höher bewertet wird, als die der jungen Generation (damit lediglich 195€/t CO2)*3 Eine Tonne CO2 entsteht bei der Fahrt von ca. 4000-5000 km. Carsharing-Nutzer*innen legen die meisten Strecken mit dem Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln zurück und emittieren damit erheblich weniger CO2.
Weitere externalisierte Kosten
Autofahrer*innen verursachen einer Studie zufolge deutlich mehr Folgekosten, als sie Abgaben zahlen. Diese Folgekosten, wie etwa für Unfälle, summieren sich laut einer Studie der Technischen Universität Dresden auf knapp 90 Milliarden Euro pro Jahr in Deutschland. Diese Kosten zahlt aber nicht der Autofahrer, sondern die Allgemeinheit über z.B. Krankenkassenbeiträge. Die Autofahrer*innen zahlen demnach für Kfz-Steuer, Energie- und Mehrwertsteuer lediglich rund 50 Milliarden Euro pro Jahr.
Der Vergleich zeigt, dass das Fahrrad einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen von 30 Cent pro Kilometer hat. Während Autofahrer 20 Cent Kosten pro Kilometer erzeugen, die derzeit nicht durch Steuern und Abgaben gedeckt sind.*4 Auch diese Kosten werden durch den hohen Nutzungsgrad öffentlicher Verkehrsmittel und dem Fahrrad der Carsharing-Nutzer*innen positiv beeinflusst.
Begrenzte Ressourcen
Studien zeigen, dass mit der weiter stark wachsenden Weltbevölkerung in Verbindung mit dem rasant wachsenden Wohlstand von Schwellenländern (insbes. asiatischer Raum), mit den damit einhergehenden Konsumwünschen nach Individualmobilität, der Individualverkehr in der heutigen Form schon bald aufgrund begrenzter Ressourcenverfügbarkeit nicht mehr möglich sein wird. Die effizientere Nutzung (ein KFZ steht im Schnitt 23 h am Tag still) eines so hochpreisigen wirtschaftlichen Gutes wie eines KFZ, ist daher nur der erste Schritt. Die gemeinschaftliche Nutzung eines KFZ mittels Car-Sharing nutzt die vorhandenen Ressourcen besser als der private PKW-Besitz.
Privatisierung des öffentlichen Raums
Seit 50 Jahren ist es gelebte und geförderte Praxis, den öffentlichen Raum zu nutzen, um Privateigentum dort abzustellen. Das Abstellen von Privatfahrzeugen im öffentlichen Raum kommt faktisch einer Privatisierung desselben zum Nachteil der Allgemeinheit gleich. Dieser gehen dadurch Flächen für sichere Schul- und Radwege oder anderweitige Nutzung verloren, worin auch ein Grund der hohen Anzahl schwer verletzter und getöteter Radfahrer*innen liegt.*5 Die Nutzung von Car-Sharing reduziert die Anzahl im Ort abgestellter PKWs und trägt damit zur Entspannung der Parksituation bei.
Immer mehr Menschen haben diese Probleme erkannt und sind bereit, ihre Mobilitätsansprüche und entsprechend ihr Verhalten zu ändern. Voraussetzung hierzu ist aber die notwendige Infrastruktur. Die öffentlichen Verkehrsmittel wurden in den letzten Jahrzehnten konsequent zu Gunsten des PKWs rückgebaut. Deutschland investiert im europäischen Vergleich besonders geringe Beträge in den Schienenverkehr. Folglich klaffen gerade im ländlichen Raum große Versorgungslücken. Carsharing-Konzepte leisten einen wichtigen Beitrag, diese Lücke zu schließen und haben positiven Einfluss auf alle aufgezählten Probleme.
Die Fraktion der Grünen b e a n t r a g t daher
- die proaktive Kontaktaufnahme mit Carsharing-Anbietern zur Eruierung möglicher Car-Sharing-Konzepte für Haßloch,
- die Etablierung eines Car-Sharing Angebotes in Haßloch,
- Die aktive Bewerbung und Förderung des Car-Sharing Angebotes mittels Homepage, Anzeigen im Bürgerblatt, der Zurverfügungstellung öffentlicher Stellflächen (z.B. Jahnplatz), o.ä.
Für die Fraktion
Sebastian Bender
Quellen:
*2 Vgl. z.B. Verkehrsauswertung und Analyse der Geschwindigkeiten aus der Forstgasse von Frühjahr 2020
*5 Privatisierung öffentlichen Raums durch parkende KFZ, Techn. Universität Berlin, Integrierte Verkehrsplanung, Jos Nino Notz. Von der Tragödie einer Allmende – über Ursache, Wirkung und Legitimation einer gemeinwohlschädigenden Regulierungspraxis https://www.ivp.tu-berlin.de/fileadmin/fg93/Dokumente/Discussion_Paper/DP10_Notz_Privatisierung_%C3%B6ffentlichen_Raums_durch_parkende_Kfz.pdf%C3%B6ffentlichen_Raums_durch_parkende_Kfz.pdf
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