Unsere Rede bei der Kundgebung „Wir sind viel mehr!“

Für Bündnis 90/Die Grünen sprach unsere Vorsitzende Pia Werner bei der Kundgebung am 02.03.24. Hier ist ihre Rede:

Ich bin sehr froh, dass es auch in Haßloch gelungen ist, ein deutliches Zeichen für Willkommenskultur, für Menschenrechte, ein gutes Miteinander und Demokratie zu setzen.

Was bedeutet Demokratie? Sie ist unsere gemeinsame Basis, der kleinste gemeinsame Nenner – Kompromisse, über die man nicht immer glücklich ist.

Russland, die Türkei und Ungarn sind Beispiele dafür, dass die Demokratie auch mit demokratischen bzw. vordergründig legalen Mitteln wieder abgeschafft werden kann.

Es gibt auffällige Muster: Überall wo Autokraten und Rechtspopulisten an die Macht gekommen sind, haben sie sich als erstes daran gemacht, die Macht der Verfassungsgerichte zu beschneiden, s. PIS-Regierung/Polen, Ungarn, Türkei, Israel.

Viele kleine, scheinbar harmlose Änderungen von Regeln und Verfahren, die aber zusammen darauf abzielen, die Rechtsprechung insgesamt zu schwächen und damit eben auch den Rechtsstaat.

Wäre so etwas bei uns auch möglich? Ist ein besserer Schutz nötig? Nicht umsonst werden derzeit im Bundestag entsprechende Grundgesetz-Änderungen diskutiert…

Die Ablehnung der Demokratie ist Kern der rechtspopulistischen Ideologie,  Kern jeder autoritären Ideologie. Warum das so ist? Demokratie bedeutet stets Macht auf Zeit – in einer Demokratie kann man gewählt, aber eben auch abgewählt werden – und das passt diesen Bewegungen in der Regel nicht ins Konzept.

Weil sie für sich in Anspruch nehmen, den imaginären Volkswillen vertreten, versuchen sie alles damit sie nie wieder abgewählt werden können.

Beispielsweise, indem sie die Rechtsgrundlagen für die Medien ändern und so die Presse gleichschalten oder eben indem sie das Wahlrecht zu ihren Gunsten ändern.

Daher ist ein starkes Verfassungsgericht, das überprüft, ob bei der Gesetzgebung die Verfassung wirklich eingehalten wird, ob die Demokratie nicht geschwächt wird, von lebenswichtiger Bedeutung für eine Demokratie.

Im Umkehrschluss, wenn man ein Land quasi gleichschalten will, wenn man ein Land totalitär umgestalten will, dann ist ein Verfassungsgericht ein ganz zentrales Hemmnis und deswegen ist es sehr plausibel anzunehmen, dass  rechtsextreme Parteien wenn sie bei uns je an die Macht kämen, als allererstes die Axt anlegen würden an eine dieser Wurzeln unserer Demokratie.

Dies ist auch empirisch belegbar: In den letzten 50 Jahren ist das Ende von Demokratien meist nicht durch einen Putsch eingeleitet worden, sondern  eher durch eine schleichende Umgestaltung demokratischer Institutionen, hin zu einem autoritären Staat. Auf diese Art und Weise kommt der Tod der Demokratie quasi schleichend. 

Menschen, die in diesen sterbenden Demokratien an der Macht sind, geben sich auch alle Mühe so zu tun, als würden sie die Demokratie nur behutsam umgestalten, als würden sie sie am Ende sogar noch demokratischer machen.

Deshalb ist es gerade jetzt an der Zeit, hierüber nachzudenken. Vor allem aber, schadet es ja auf keinen Fall, wenn wir demokratische Institutionen absichern. Insbesondere durch entsprechende Ergänzungen im Grundgesetz. Für Grundgesetzänderungen wird immer eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigt, für eine Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes reicht eine einfache Mehrheit!

Der Anteil rechter Wähler:innen steigt, die sog. bürgerliche Mitte rückt immer weiter nach rechts.

Eine einzelne Person kann der Demokratie nicht gefährlich werden. Es braucht Strukturen, es braucht Netzwerke und es braucht Finanzmittel – Nazis vernetzen sich, wir müssen das auch!

Demokratie bedeutet auch Verantwortung: Corona, Klimawandel, Migration, Globalisierung, Digitalisierung haben zu einer Entsolidarisierung unserer Gesellschaft geführt. Unzufriedenheit macht sich breit, auch konstruktive politische Aushandlungsprozesse werden nicht mehr ertragen – aber Streiten und Kompromisse finden gehören ganz zentral zu unserer Demokratie. Pluralität führt zu einer freiheitlichen Demokratie. Autoritäre Einstellungsmuster blockieren sie.

Große Teile der Gesellschaft haben bereits den Glauben an die Demokratie verloren –  im Osten z.T. 35% in Haßloch hatte die AfD bei der letzten Gemeinderatswahl fast 16% – diese fatale Entwicklung kann man nicht einfach  geschehen lassen –  wir alle müssen versuchen, Wähler rechtsradikaler Parteien wieder zurückzuholen, Deradikalisierung ist das Stichwort,  wobei die Grenzen dessen, was diskutabal ist, klar sein müssen.

Es wird immer Menschen geben, die rassistisch sind und rassistisch bleiben wollen. So hat der Fraktionsvorsitzende der AfD im letzten Gemeinderat klar zum Ausdruck gebracht, dass er sich nicht von Remigration distanziert. Es ist schon mehr als grotesk, dass ausgerechnet die AfD von Ausgrenzung und Spaltung spricht, waren es doch AfD-Vertreter, die sich in Potsdam heimlich mit ausgewiesenen Rechtsextremisten trafen, um großräumige Aktionen gegen Migranten und Geflüchtete zu planen. Die Welle der Empörung in der Bevölkerung resultiert ja gerade aus der Offenlegung dieser Machenschaften.

Das kann man auch nicht einfach so hinnehmen. Regelverletzungen müssen  geahndet und gebrandmarkt werden. Eine Läuterung dieser Köpfe ist nicht  realistisch – siehe Thomas Stephan, letzte Woche im Haßlocher Gemeinderat. Es ist höchste Zeit, dass diesem braunen Sumpf deutlich wird, dass sie nur eine Minderheit unserer Gesellschaft repräsentieren.

Dass ihre Aussagen, die auf bewussten Lügen, der Verdrehung von Fakten und falschen Statistiken basieren und sowohl inhaltlich als auch im Sprachgebrauch zunehmend inhuman sind, von der Mehrheit unserer Bevölkerung nicht mehr einfach hingenommen werden.

Durch die Aggressivität ihrer Sprache werden schleichend unsere Grundwerte untergraben wird ein Klima der sozialen Kälte geschaffen.

Dem muss mit allen demokratischen Mitteln und vor allem mit Menschlichkeit und Anstand begegnet werden.

Ängste, Sorgen?, negative Emotionen sind berechtigt, aber sie sollten Antrieb sein, die Dinge nicht einfach hinzunehmen, sondern mitzuwirken, daran etwas zu ändern.

Wir dürfen nicht den Mut verlieren –  es ist wichtig, Hoffnung zu haben, die vielen Menschen, die zum Gedenken Nawalnys trotz angedrohter Repressalien auf die Straße gingen, machen Hoffnung – Hoffnung auf eine Welt ohne Klimakrise, Hoffnung auf Frieden und vor allem Hoffnung auf eine humane offene Gesellschaft.

Verwandte Artikel