Stellungnahme zum Prüfbericht des Landesamts für Umwelt (zur Förderfähigkeit der Rehbachverlegung)

Bürgerinitiative Hochwasserschutz JA – Rehbachverlegung NEIN und Bündnis 90/Die Grünen – OV Haßloch

nehmen zum Prüfbericht zur Vorlage beim Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten Überprüfung der Förderfähigkeit – insbesondere Notwendigkeit und Angemessenheit – der Gewässerneuentwicklung mit integriertem Hochwasserschutz des Rehbaches in der Gemeinde Haßloch,

kurz: Prüfbericht Förderfähigkeit der „Rehbachverlegung“ Bericht Landesamt für Umwelt, Mainz, Dezember 2016 wie folgt Stellung:

Aus unserer Sicht gibt es nach wie vor zwei K.o.-Kriterien für das geplante Projekt:

1. Das Risiko der Überflutung des Industriegebiets Süd mit Gebäudeschäden und unabsehbaren Umweltschäden. Durch die Planung der Maßnahmen I – III entsteht mitten im Industriegebiet Süd ein Nadelöhr, das äußerst störanfällig ist. Das Wasser wird durch die geplanten Maßnahmen im Rehbach gehalten, dazu kommen Ausuferungen des Speyerbachs, die auf das Industriegebiet zuströmen und entlang des geplanten Schutzdamms dem Rehbach zugeführt werden. Es reicht dort schon ein wenig Treibgut aus, um eine Katastrophe auszulösen.

2. Eine mittel- und langfristige Sicherstellung der Trinkwasserversorgung der Gemeinde kann nach der Umsetzung der Maßnahme nicht mehr aus dem Mittelwald erfolgen. Im Rahmen der Planung wird dort ein Retentionsgebiet ausgewiesen. BCE – Björnsen Beratende Ingenieure, Koblenz 1987, kommen in ihrer Studie zu einer sehr positiven Einschätzung auch für die langfristige Trinkwasserversorgung. Dem Bericht liegen methodische Mängel zugrunde, die in der Folge dargestellt werden, die aber auch auf der Beauftragungspraxis beruhen: wieder BGS Wasser zu beauftragen legt den Schluss nahe, dass die Ergebnisse gleich bleiben, denn mit den gleichen Daten und der gleichen Datenverarbeitung ist das zu erwarten. Und IUS Weibel & Ness zu beauftragen, auf deren Beraterliste Hr. Bidinger, vor seiner Pensionierung bei der SGD Süd für die Rehbachverlegung zuständig, steht, lässt auch mehr desgleichen befürchten. Die Seitenangaben beziehen sich auf den Prüfbericht des LfU. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die erfolgte Prüfung des Modells der sog. Projektgegner nicht erfolgt ist. Dieses will das vorhandene Grabensystem zur Wasser(ab)leitung zum Urerbsengrabensystem nutzen, um Hochwasserschutz und Naturschutz zu ermöglichen. Der wichtigste Retentionsraum in diesem Modell liegt südlich der K14 und östlich des Industriegebiets Lachen-Speyerdorf (Altenschemel), er wurde allerdings in die Prüfung nicht mit einbezogen, s. Karten auf S. 43 ff. Dies gilt auch für den Durchgang vom Industriegebiet Süd zur Mörderrichtstelle, die Schaffung eines Durchstichs durch die K14 an dieser Stelle hat beim Hochwasser 1978 das Wasser schnell aus dem überschwemmten Industriegebiet Süd ablaufen lassen. Untersucht wurde stattdessen wieder ein Ausbau in Kanalbauweise mit hohem Flächenverbrauch, ohne die Möglichkeit und gesetzlich geforderte Retention zu berücksichtigen. Der Rückschluss, das Modell der Projektgegner sei keine Naturschutzmaßname, wurde aus diesem – falsch dargestellten – Szenario gezogen, auch die Kosten wurden auf dieser Grundlage ermittelt, nicht aus dem vorgeschlagenen und kommunizierten Modell. Dazu ist anzumerken, dass sich das benutzte digitale Geländemodell offensichtlich von den Beobachtungen im Gelände unterscheidet, die auf terrestrischen Messungen und der Beobachtung von Fließrichtungen der vorhandenen Gerinne beruhen. In diesem Zusammenhang ergeben die durch Beobachtungen im Gelände erhobenen Aussagen die valideren Daten. Im vorliegenden Prüfbericht werden wichtige Aspekte, als „nicht im Umfang des Prüfauftrags enthalten“, nicht berücksichtigt. Für die abschließende Einschätzung der Förderfähigkeit durch das Ministerium und die Vermittlung und Begründbarkeit gegenüber den BürgerInnen, gerade wegen der hohen Kosten und den massiven Eingriffen in Natur und Landschaft, sind diese aus unserer Sicht außerordentlich wichtig. Das Vorgehen der Behörden, eine Maßnahme nach der anderen isoliert zu betrachten und umzusetzen, ist zu kritisieren. Dringend geboten wäre eine Betrachtung und Lösungsfindung für den Hochwasser- und Naturschutz von der Quelle bis zur Mündung des Reh- und Speyerbachs. Nicht nur folgende Punkt ist hierfür ein Beispiel. Zusammenhang Maßnahme I – III Aus der Rehbachverlegung ergibt sich zwangsläufig auch die Umsetzung von Maßnahmen westlich von Haßloch, z. B. H4 mit beiderseitigem Dammbau am Rehbach und westlich entlang des Industriegebiets Süd. Durch den Bau der Dämme muss Land erworben werden, die Zustimmung der Grundstücksbesitzer zum Verkauf ist noch nicht abgefragt. Für die zur Schaffung der Durchgängigkeit notwendige Veränderung an der Obermühle gibt es keine Vereinbarung/Zustimmung des Eigentümers. Diese Kosten sind zwingend bei der Berechnung der Kosten pro 100-m-Betrags mit einzurechnen. Verluste für den Naturschutz Der Prüfbericht betrachtet lediglich den Gewinn für den Naturschutz, den die Verlegung voraussichtlich bringen könnte. Nicht betrachtet werden die Verluste, die die Verlegung mit sich bringt: Verlust Ökosystem alter Rehbach, z. B. die „Feuchtwiese westlich der Sägmühle, Biotop BT-6615-0208-2006. Die obere Naturschutzbehörde fordert hier eine Verlegung an den neu angelegten Bach – was allerdings nicht machbar erscheint angesichts der Tatsache, dass der neue Bachlauf mit seiner Sohle bis zu 170 cm unter Gelände verläuft. Referenzprojekte waren in der BRD nicht zu finden. Auch ist das Landschaftsschutzgebiet Rehbach-Speyerbach betroffen, mit seinen Rote-Liste Arten wie dem Ziegenmelker, entlang des Rehbachs z. B. die Grüne Keiljungfer, deren Lebensräume gravierend verändert werden. Noch zu bewerten wäre, ob durch die Aufteilung auf zwei Bachläufe ausreichend Wasser im neuen Bachlauf sein wird, um die Durchgängigkeit zu gewährleisten. Hydromorphologie Für die Strukturgüte (S. 98 ff.) im historischen Rehbach liegen unterschiedliche Einschätzungen vor. Im Prüfbericht werden Einstufungen nach „im Wesentlichen nach AuGe 2016“ zitiert sowie die im Gewässerpflegeplan vorgenommene Einstufung der Fa. LAUB 1997, die differenziert in 100-m-Abschnitten erfolgte. Bei den Werten aus dem Gewässerpflegeplan fällt der Unterschied zur neuen Trasse (s. Tabelle) nicht mehr so deutlich aus. Durch schon 1997 vorgeschlagene Maßnahmen z. B. bei der Sohl- und Uferstruktur und im Gewässerumfeld hätte mit deutlich geringerem Mitteleinsatz eine Verbesserung der Strukturgüte und damit auch eine Steigerung der Habitatqualität erreicht werden können. Bei der geplanten Trasse könnte auf 600 m evtl. eine Entwicklung zu II stattfinden, die 1600 m, die mit IV eingestuft werden, sich evtl. zu III entwickeln. Für das Alternativmodell der sog. Projektgegner liegt keine Einschätzung des LfU vor. Zu erwarten ist hier eine ähnlich positive Entwicklung wie bei der Reaktivierung des Urerbsengrabens. Gewässerflora und -fauna In den Planfeststellungunterlagen ist keine Untersuchung zum qualitativen und quantitativen Zustand der Gewässerflora- und -fauna im historischen Rehbach enthalten. Somit liegen keine Daten vor, die mit der zu erwartenden Gewässerflora und -fauna in der neuen Trasse verglichen werden können. Durch eine Orientierung der Gewässerpflege an der guten fachlichen Praxis und dem Gewässerpflegeplan ließe sich auch im historischen Rehbach eine deutliche Verbesserung bzgl. der Habitatqualität erreichen, unabhängig vom derzeitigen Zustand. Das Alternativ-Modell der sog. Projektgegner ist diesbezüglich nicht eingeschätzt worden. Zu erwarten ist hier eine ähnlich positive Entwicklung wie am Urerbsengraben. Durchgängigkeit Mit der neuen Trasse werden lediglich zwei Sohlsprünge umgangen, für den 3. Sohlsprung, der sich zwischen Maßnahme II und III befindet, gibt es noch keine mit dem Eigentümer abgesprochene Lösung. Durchgängigkeit kann auch sehr kostengünstig über Umgehungsgewässer oder direkt an den Sohlsprüngen hergestellt werden, die bereits in den Besitz des KV übergegangen sind. Um die Wasserkraftnutzung zu ermöglichen, könnte eine Doppelschnecken-Technik eingesetzt werden, die auch eine Fischdurchgängigkeit ermöglicht. Eine Verbesserung der Habitatqualität ist durch o.g. Maßnahmen, an der Bachsohle, der Uferstruktur und einem Pflegekonzept zu erreichen, das auch dem Naturschutz dient. Nicht erwähnt wird im Prüfbericht, dass es erhebliche Zweifel an der Durchgängigkeit der neuen Trasse in Trockenzeiten mit lang andauerndem Niedrigwasser gibt, ein Szenario, das infolge der Klimaveränderung mit in die Bewertung einfließen muss. Im Planfeststellungsbeschluss wird ein entsprechendes Gutachten gefordert. Förderfähigkeit Es seien „klassische“ Unterhaltungsmaßnahmen durchgeführt worden (S. 85 des Prüfberichts) wie Gehölzpflege, Entkrautung, Mäharbeiten usw.). In der Studie von Wald und Corbe „Sanierung des Rehbachs in der Gemarkung Haßloch“, 2011, steht auf Seite 1 „der Unterhaltungszustand der Dämme ist so schlecht, dass eine grundlegende Bereinigung des Zustandes erforderlich ist.“ Das bedeutet, dass die gemachten Maßnahmen nicht ausreichend waren, um das System zu erhalten. Es sollen nur Maßnahmen gefördert werden „die in hohem Maße wasserwirtschaftlichen und ökologischen Zielen entsprechen“ (Förderrichtlinie Wasserwirtschaft RP 2913). Das trifft auf die Rehbachverlegung nicht zu, s. auch Kostenschätzung. Die in der Förderrichtlinie geforderte Wirtschaftlichkeit wird nicht erreicht. Wie aus dem Abschnitt „Hydromorphologie“ hervorgeht, beschränkt sich die Aufwertung der Strukturgüte, legt man die Einschätzung des historischen Rehbachs aus dem Gewässerpflegeplan zugrunde auf lediglich 1600 m. Erreicht wird mit dem Bau der Maßnahme ein Zustand, der mit „mäßig beinträchtig“ beschrieben wird. Begründet ist dies darin, dass die geplanten 12 Übergänge, Drossel, Düker und Rohre bis zu 25 m Länge der gewünschten Selbstentwicklung des Gewässers entgegenstehen. Kostenschätzung Es gilt für behördliches Handeln der Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung. Der Haushalt des Maßnahmenträgers, des Kreises Bad Dürkheim, lässt durch eine hohe Verschuldung keine weiteren zusätzlichen Ausgaben zu. Deshalb ist die sorgfältige Prüfung und Aufstellung der zu erwartenden Kosten ganz besonders wichtig. Mit betrachtet werden müssen auch die Kosten, die die Gemeinde Haßloch zu tragen hat, aber auch die der BürgerInnen, die vor allem durch das Risiko der Überflutung des Industriegebiets Süd entstehen können. Zu den Kosten macht der Prüfbericht durch den eingeschränkten Rahmen seines Auftrags auch nur sehr eingeschränkte Aussagen. Auf Seite 21 führt der Prüfbericht aus, dass der Mittelwert der Kosten durchgeführter Maßnahmen außerorts in Rheinland-Pfalz bei 110.080 €/100 m liegt. Zur Einschätzung der Wirtschaftlichkeit der Maßnahme reicht ein Mittelwert nicht aus. Wesentlich, aber nicht angegeben, wären die absoluten Baukosten der einzelnen Maßnahmen und vor allem der erreichte Gewinn für den Naturschutz. Die Rehbachverlegung kostet laut Rechnung des LfU auf 100 m 127.000 € (diskrepant dazu: die auf S. 78 genannten aktuellen Baukosten liegen bei 4,1 Mio. €, daraus ergäbe sich bei einer Streckenlänge von 3,6 km ein 100 m-Betrag von 113.900 €) und liegt nach Einschätzung des LFU „völlig im Rahmen“ (S. 22). Eine Verbesserung der Strukturgüte wird mit der neuen Trasse nur auf einer Strecke von 1600 m erreicht und nur eine Verbesserung in die Kategorie „mäßig beeinträchtigt“. Das ergibt 100 m-Kosten von 256.250 € (4,1 Mio € /3,6 km Strecke) und liegt somit um über das Doppelte über dem Mittelwert, für eine qualitativ nur geringe Aufwertung der Strukturgüte. Rechnet man die Maßnahmen II und III dazu, die wegen der Rehbachverlegung zwangsläufig umgesetzt werden müssen, sieht die Bilanz nochmals schlechter aus: Baukosten 1,5 Mio. €, daraus folgen 155.555 €/100 m wenn man es über die gesamten 3,6 km rechnet. Nur für den Abschnitt berechnet, der sich tatsächlich verbessert, liegt der Preis bei 350.000 € für 100 m Strukturverbesserung. Für die Maßnahme I, Rehbachverlegung, beträgt die Kostenschätzung für die Maßnahmen aus LPB und Planfeststellungsbeschluss 700.000 €, die reinen Baukosten 3,4 Mio. Das erscheint angesichts der Fülle von Maßnahmen deutlich unterschätzt. Z. B. muss eine hoch geschützte Feuchtwiese an den neuen Bachlauf verlegt und dort am Leben erhalten werden. Das erscheint an sich absurd und kann sich mit all den anderen z. T. umfangreichen Maßnahmen nicht in einem 700.000 € Rahmen bewegen. Die Kosten, die bei einer Überschwemmung des Industriegebiets Süd entstehen können, können nach folgenden Kriterien berechnet werden: Das Gewerbegebiet umfasst 32 ha, wenn man von einer bebauten Fläche von 15 % ausgeht, wären 480.000 m2 bebaut. Wenn man pauschal von 700 €/m2 ausgeht, beläuft sich der Wert auf 33,6 Mio. €. Der tatsächliche Wert lässt sich nur über eine genaue Inventarisierung erfassen (Bsp. Autohaus Jotzo mit Werten von 400.000 € auf 10 m2 oder Druckerei Englram mit Druckmaschinen im Wert von 400.000 € auf 30 m2. Dazu kommen Gebäudeschäden, die nicht pauschal zu beziffern sind und die Umweltschäden, die durch die Überflutung von Gewerbebetrieben zu befürchten sind. Folgekosten werden im Prüfbericht pauschal mit 5 €/m an der neuen Trasse gerechnet, angesichts der vielen Bauwerke, die kontrolliert und instandgehalten werden müssen, deutlich zu gering. Die Kosten für die Gemeinde Haßloch, die dann für die Pflege des historischen Rehbachs zuständig ist, werden nicht erwähnt. Die Gemeinde Haßloch hat bisher, da der historische Rehbach als Gewässer II. Ordnung eingestuft war, keine Gelder aufbringen müssen. Da der Wasserspiegel sich nicht ändere, seien keine Schäden an den Mühlen zu befürchten (S. 82). Das LfU sieht kein Problem, da sich der Grundwasserspiegel ja nicht verändere (diese Hypothese wird durch ein Grundwassermonitoring überprüft). Bei den zu befürchtenden Gebäudeschäden besteht eine Abhängigkeit zum Wasserspiegel im Rehbach, nicht zum Grundwasser. Bei 120 l/sec nach der Verlegung gegenüber 740 l/sec (MQ) derzeit liegt ein deutlicher Höhenunterschied des Wasserspiegels vor. Die Gebäude erhalten ein Monitoring, Schäden könnten zu Schadenersatzforderungen seitens der Eigentümer in nicht kalkulierbarer Höhe führen, da es sich um eine Verschlechterung der Standsicherheit der Gebäude handeln könnte. Der geplante Aufstau östlich des Sohlsprungs der Neumühle kann sich nicht auf den Wasserspiegel am Gebäude selbst auswirken. Zusatznutzen Der im Prüfbericht beschriebene Zusatznutzen „Wassererleben“ ist durchaus kritisch zu betrachten. Naturschutz funktioniert am besten, wenn die Natur nicht durch Menschen und z. B. Hunde gestört wird. Unbestritten ist Umweltbildung wichtig, nicht beschrieben ist in diesem Fall, wie diese entwickelt werden wird – hierfür entstehende Kosten sind dementsprechend unbekannt. Bei der Alternative, das Wasser im Westen in den genannten Retentionsraum umzuleiten und den historischen Bachlauf zu erhalten, wäre der Zusatznutzen das Erfahren von vorindustriellen Strukturen und Verfahren sowie Erhalt der denkmalgeschützten Mühlen-Ensembles sowie der Möglichkeit, an der Entwicklung von neuen Naturräumen im Westen teilzunehmen. 

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